Ab dem 1. November sollten die ArbeitnehmerInnen in der Metallindustrie wohl in den Genuss einer kollektivvertraglichen Lohnerhöhung von 3,6% kommen.
Das heißt, bei einer Inflationsrate von zuletzt immer so um die 2 Prozent kann tatsächlich von einem Reallohnzuwachs für die betroffenen Haushalte ausgegangen werden. Das ist toll! ((.. und in den letzten Jahren alles andere als selbstverständlich, weshalb dieser explizit und mit Ausrufungszeichen getippte Satz schon seine Berechtigung hat.))
Hinzu sollten für einen großen Teil der Arbeiter und Angestellten in der Metall produzierenden und verarbeitenden Industrie Einmalzahlungen von € 150,- oder € 200,- kommen. Einmalige hundertfünfzig Euro brutto sollen es sein, wenn das arbeitgebende Unternehmen mit Gewinn und einer solchen Gewinnmarge zwischen 0% und 6% das Jahr 2008 abschließt, nochmal fünfzig Euro brutto mehr, wenn der Unternehmensgewinn darüber liegt.
Klingt super, allerdings die Steuer frisst
150,- oder 200,- Euro, das waren einmal 2064,- bzw. 2752,- alte austriarkische Schillinge. Aber die gibt es ja schon ne geraume Zeit nicht mehr als gängiges Zahlungsmittel. Und seit dieser Zeit ist auch einiges an Inflation den Lauf der Geschichte hinunter geschwommen.
Wie dem auch sei, 150,- oder 200,- an quasi ‘Prämie’ werden es netto leider nicht sein. Weil die Steuer frisst die Hälfte, sagt Steuerexperte Karl Bruckner in Ö1. Schmecks.
Also zwischen vl. € 80,- und € 120,- an gewinnabhängiger ‘Prämie’, die da eingestreicht werden können. Kein Urlaub aber ein gutes Essen und Trinken für die ganze Familie in einem gehobenen aber nicht zu teuren Lokal ist das allemal.
Und Steuerexperte Karl Bruckner macht punkto ‘Prämie’ noch einen interessanten Punkt aufmerksam. Solche gewinnabhängigen Einmalzahlungen könne mensch übrigens als eingeschränkte Mitarbeiterbeteiligung betrachten, sagt er.
Mehr eingeschränkte Mitarbeiterbeiteiligungen fordert Felderer
Eine eingeschränkte Mitarbeiterbeteiligung ist nun keine direkte Unternehmensbeteiligung, soviel ist klar. Der Unterschied ist leicht erklärt.
“Eine umfassende Mitarbeiterbeteiligung würde voraussetzen, dass der Mitarbeiter auch in Form von Unternehmensanteilen am Unternehmen mitbeteiligt ist”, sagt der Steuerexperte, “dann kann er auch mitbestimmen, weil dann ist er Miteigentümer und hat alle Eigentümerrechte.”
Damit ist immerhin eine der ModeForderungen der Zeit angesprochen, die von Arbeitsministern bis zu SPD-Vorsitzenden laut diskutiert wird. Wir merken, es gibt solche und solche. Persönlich bin ich ja auch bei solchen mit PseudoMiteigentümerrechten skeptisch. Aber das ist eine andere Geschichte und vl. ein anderer, zukünftiger Beitrag in diesem Kellerabteil.
Der unsägliche Direktor des IHS und Interessensvertreter des Neoliberalismus und der Industriellenvereinigung Bernhard Felderer sagt zu der ganzen Geschichte ((Also er sagt natürlich noch viel mehr zu ‘dem ganzen Thema’. Ich meinte nur: zu dem Thema eingeschränkte Mitarbeiterbeteiligung. Ansonsten gibt er sowieso zu allem seinen medialen Senf ab.)), er hätte gern eine höhere eingeschränkte Mitarbeiterbeteiligung gesehen. Also genau genommen,
IHS-Chef Felderer hätte gerne eine weniger hohe prozentuelle Lohnerhöhung gesehen und dafür eine höhere Einmalzahlung.
Vulgo weniger an Gehalt, das den ArbeiterInnen und Angestellten zusteht, von dem die nächsten Lohnverhandlungen ausgehen, das zur Berechnung des Urlaubs- und des Weihnachtsgelds herangezogen wird usw., und dafür mehr an ‘Prämie’, die es dann und in dem Fall gibt, wenn ein Unternehmen tatsächlich Gewinne geltend macht und nicht etwa potentielle Gewinne durch andere Ausgaben, Investitionen, Managementprämien oder Konzerninterne Umschichtungen nicht geltend macht.
Felderer: zufrieden aber unglücklich
Der uneingeschränkte Showstar der österreichischen Wirtschaftsexpertisenexperten ist ganz allgemein etwas unzufrieden. Oder sagen wir: besorgt. Aber das ist er immer. Und immer sehr radiowellentauglich, wie ich mich schon hier festzustellen bemüssigt gefühlt habe.
“Wir sollten keine Empfehlung abgeben, aber eines müssen wir schon sagen: Das die Lohnerhöhung, die hier erzielt wurde, nicht Beispiel für alle sein kann.”
Das sagt er immer so, der Interessensvertreter Felderer. Zuerst sagt er, das man keine Empfehlungen oder keine Prognosen abgeben kann oder sollte, und dass er keine Empfehlungen, Prognosen oder so .. . Dann kommt das ABER, ein großes aber, ein Großbuchstaben ABER. Im Tonfall von Bernhard Felderer ausgesprochen mit sonorig ruhiger Stimme, gütig wohlwollend und wie selbst daran leidend, dass man die anderen immer wieder warnen muss, ihnen etwas empfehlen muss, ihnen die Folgen für ihr dummes Tun vor Augen führen muss.
Die Abfolge ist immer die Selbe, ob Felderer, ob Bartenstein, ob Schüsselmolterer, ob BRD-Politiker oder internationaler Pensionsexperte, ob … gekonnt ist gekonnt. Die perfekte Verknüpfung zwischen NLP, neoliberal-hegemonialer Semantik und patriarchal-konservativem Gutsherrntum.
WIFO sieht das anders
Die ausgeglichene Berichterstattung von Ö1 lässt jedoch nicht allein den Herrn des IHS und ständigen Forderer Förderer weiterer struktureller Reformen neoliberaler Façon zu Wort kommen. WIFO-Experte Alois Guger kommt auch, wenngleich vergleichsweise ‘am Rand’ zitiert zu Wort.
Der Abschluss der Lohnverhandlungen der Metaller spiegle die zwiespältige Konjunktur, sagt WIFO-Experte Alois Guger: Die heurige gute Auftragslage bedinge die Einmalzahlung, die 3,6 Prozent mehr Lohn seien durch die Risken im nächsten Jahr erklärt. Das Ergebnis ist laut Guger kein Hemmschuh im internationalen Wettbewerb.
So wird der Experte des WIFO zumindest im Morgenjournal zitiert. Gegen Ende des gleichen Tages, im Abendjournal, lässt man Alois Guger dann nochmal zu Wort kommen ((Er ist mittlerweile ‘WIFO-Chef’ geworden.!?))und zwar in direkter Gegenüberstellung zum Interessensvertreter Felderer.
Felderer wird noch einmal und zum X‑ten mit seinen Bedenken und seiner Warnung im O‑Ton gesendet. Dem wird die Einschätzung des WIFO entgegengehalten:
WIFO fordert hohe Lohnabschlüsse
Etwas anders ist die Beurteilung von WIFO-Chef Guger. Er befürwortet ähnliche hohe Abschlüsse in anderen Branchen, weil sonst die Lohnquote in Österreich weiter fallen würde.
Felderer sorgt sich um den Handel. Das heißt, so kann das auch nicht stimmen, weil wenn er sich um den Handel sorgen würde, dann müsste er einen hohen Lohnabschluss für alle Branchen fordern. Ganz im Sinne der Einschätzung des WIFO.
Schließlich schadet die niedrige Lohnquote keiner Branche so sehr wie dem Handel, oder? Bei ständig sinkenden Reallöhnen leidet klarerweise die Kaufkraft. Wenn die Kaufkraft leidet, wird weniger konsumiert, d.h. gekauft. Der Handel leidet unter geringer Kaufkraft. Mehr Kaufkraft ist ein Segen für den Handel.
Wovor warnt Felderer jetzt nochmal?
Er meint, es bestünde eine gewisse Gefahr, denn: “Gerade die Metallindustrie ist eine Branche, der es in den letzten Jahren besonders gut gegangen ist. Das ist ja nicht überall so. Gerade im Einzelhandel gibt es keineswegs eine so rosige Situation, wo auch der internationale Wettbewerb — also etwa der Fremdenverkehr — sehr scharf ist.” Es sei also keineswegs so, dass diese 3,6 oder — wie man eben rechnet — vier Prozent — ein Beispiel für alle Branchen sein können, so Felderer.
Er macht sich halt Sorgen. In gewisser weise wiederum verständlich. Denn:
Industriellenvereinigung vor dem Aus
Und das trifft kaum jemanden so sehr wie den IHS-Chef. Alle haben sich verschätzt. Nicht einmal nur Felderer und Guger. Auch die Regierung hat den Abschluss begrüßt.
Die Hiobsbotschaft für die Kollektivvertragsverhandler, die Wirtschaftsforscher und die Regierung kam schließlich am späten Abend. Die IV meldete (und Ö1 sendete)
Es sei zum Teil über die Grenzen der Belastbarkeit der Betriebe gegangen worden.
Ein Dominoeffekt ist zu erwarten und kann eigentlich nicht mehr ausbleiben. Mit dem Konkurs der ersten betroffenen Unternehmen ist ab dem 1. November minütlich zu rechnen. ((Wer weiß wie viele schon im Angesicht der Katastrophe vor dem 1. November, also im Laufe des 31. Oktober, das Handtuch werfen?))
Mit Konsequenzen für angegliederte Zulieferer- und Abnehmerbetriebe muss notgedrungener weise gerechnet werden. Was gerettet werden kann, wird wahrscheinlich in das globalisierte Ausland verkauft werden. Die Mitglieder der Industrieellenvereinigung werden noch vor ihrem Bankrott bereits keine Mitgliedsbeiträge mehr an die Lobbyvereinigung überweisen können. Das Aus der IV ist so gesehen kaum mehr abzuwenden.
Die letzte Warnung des Generalsekretärs der Industriellenvereinigung, Mag. Markus Beyrer, muss mithin als letzte verzweifelte Drohung an die Bevölkerung gewertet werden, die von den Österreicherinnen und Österreichern dem verzweifelten Angestellten der Lobbyistenvereinigung nicht krumm genommen werden sollte.
Wir hoffen, dass im Zuge einer sich abschwächenden Konjunktur die Konsequenzen nicht durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich getragen werden müssen.
Das Ende kommt dennoch überraschend
Das Ende der Metallbranche und der IV kommt für mich auch überraschend. Es ist erst 1½ Tage und einen Beitrag her, da ich im Vorfeld der letztendlich erfolgreichen Verhandlungsrunde noch ein paar Zahlen zu visualisieren versuchte. Die ließen die immanente Bedrohung noch nicht erahnen.
Hier zur eigenen Beurteilung noch x dargestellt:
Shit happens.
Es tut mir jedenfalls sehr leid für die IV. Und um die IV. Sehr traurig. Sorgen mach’ ich mir auch um die think tanks der IV.
Eine Antwort auf „Industriellenvereinigung vor dem Aus“
[…] Heft bereits lange an die radikale Industriellenvereinigung abgegeben. Die Überraschung, dass die IV durch den Abgang der Schüssel-Junta hier nicht geschwächt und die Wirtschaftskammer nicht […]