Wird das Thema ‘Lohnrunde’ in der Berichterstattung irgendeines Massenmediums berührt, so lautet die die Message quer durch den Massenmedienmonokulturgemüsegarten:
Also mal ruhig ihr Lohnabhängigen, nicht da vorlaut etwas ‘verlangen’, von dem ihr eh nichts versteht, weil, wenn man euch mehr Geld verdienen ließe, dann wär das für unser aller Wirtschaft nicht gut, und also geht das nicht so, wie ihr euch das vielleicht in eurer naiv-einseitigen Sicht vorstellen mögt, und eigentlich, wenn ihr uns nur machen lasst und euch mit dem bescheidet was euch gnädig zugestanden wird, dann ist das in Wirklichkeit auch für euch besser.
Verbrämt Formuliert wird diese Message etwa so
Wir brauchen Lohnrunden der Vernunft. ((Beispiele gäbe es viele und wir kennen sie alle. Ich finde diesen hier verlinkten Debattenbeitrag einfach wunderbar symptomatisch. Außerdem, er ist vom Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Uuuhh uuh uh.))
Wie funktioniert die Message?
Diese zentrale und zu Grunde liegende Aussage behauptet dreierlei:
Erstens stellt sie einen direkten Zusammenhang zwischen Lohnabschlüssen und dem Wirtschaftswachstum der Volkswirtschaft her.
Zweitens wird dieser Zusammenhang ausschließlich in eine Richtung gehend definiert, niedrige Lohnsteigerungen kommen der Wirtschaft zu gute, hohe Abschlüsse schaden der österreichischen Wirtschaft, also der Volkswirtschaft, also uns allen.
Drittens steckt in dieser Aussage eine klare Wertung. Lohnabhängige sind Kinder. Es ist verständlich, dass sie etwas “wollen”. Kinder wollen immer irgendetwas, aber sie können die Konsequenzen noch nicht erfassen. Wir (Unternehmer, Wirtschaftsexperten, Politiker) müssen in größeren Zusammenhängen denken (Standortwettbewerb und so) und die Verantwortung – natürlich auch für die Kinder – wahrnehmen. Wir handeln dementsprechend verantwortungsbewusst im Sinne dessen, was das beste für unser aller Zukunft ist. Daddy kümmert sich schon darum.
Dazu wie das funktioniert, möchte ich ein knappe und schnelle Analyse des Ö1 Mittagsjournals vom 28. September 2007 anbieten.
Analyse des Mittagsjournals vom 28. September
Es beginnt mit der Meldungsübersicht. An erster Stelle steht freilich Burma bzw. Myanmar. An zweiter Stelle folgt bereits ‘Wie geht es der österreichischen Wirtschaft?’:
[Audio:mj_28092007_1_Uebersicht.mp3]
Gut. An diese Sprachregelung haben wir uns bereits gewöhnt. Der Begriff ‘Volkswirtschaft’ ist unangenehm, in ihm schwingt ganz etwas anderes und viel mehr mit, als im Begriff ‘Wirtschaft’. Der Zusatz ‘österreichische’ Wirtschaft macht umgekehrt wiederum klar, dass es sich um ein nationales Interesse handelt.
Nein, wir reden schon lange nicht mehr von Volkswirtschaft. Das hieße schließlich von Haushalten und Unternehmen, von Privatwirtschaft und öffentlichen Gütern gemeinsam reden, von volkswirtschaftlichem Nutzen oder Erfolg und nicht nur vom privatwirtschaftlichen Nutzen.
Verstärkt wird der begriffliche Kniff dadurch, dass wir immer nur von der Wirtschaft reden, als hätten wir es mit einer Person zu tun. À la die Wirtschaft leidet, die Wirtschaft sagt nein, die Wirtschaft wird das sicher nicht hinnehmen, die Wirtschaft ist gesund.
Durch diese Personalisierung eines – eigentlich – sozialen Systems, das wir viel besser auch Wirtschaftssystem nennen könnten, werden gültige Gesetzmäßigkeiten verborgen und andere behauptet. Kann ‘eine’ Wirtschaft denn krank sein? Wie leidet denn eine Volkswirtschaft, wenn sie leidet? (.. und überhaupt, seit wann ist Leiden in unserer christlich geprägten Gesellschaft etwas schlechtes?)
Wie geht s uns denn?
Aber wie dem auch sei, die Frage lautet, wie geht’s denn unserer Wirtschaft? Ja genau, wie geht es Ihnen denn so? Alles roger?
In Minute Drei des Mittagsjournals gibt die erste Antwort, nicht mehr als eine kurze Meldung, der längere Bericht folgt später:
[Audio:mj_28092007_2_meldung_wirtschaftsprognose.mp3]
Soso. Wir wachsen noch. Wie bitte? Aufschwung? Ah, Sie wachsen endlich wieder. Na sehr gut, das heißt, es geht uns gut, oder? Fein.
Oje, aber es geht schon wieder bergab? Sie merken’s schon? Jaja, die Gesundheit. Ein Kreuz ist das mit dem Kreuz, wem sagen sie das. Es is ja schon ein Wunder, wenn man in diesen Zeiten und unter solchen Umständen gesund zu bleiben vermag.
Ham’ s eigentlich Anspruch auf Krankenstand? Is ja heut nimma so …
Immobilienkrise in den USA und die Inlandsnachfrage?
Gottseidank ist die drüben, die US-Immobilienkrise. Sollt uns eigentlich nichts ausmachen, die Vogelgrippe ist ja auch nicht gekommen, oder? Und in den Medien hab ich ü-ber-all gelesen, die wirkt sich auf uns nicht aus. Also, nicht unterkriegen lassen. Oder samma vielleicht, wie mir scheint, ein bißchen hypochondrisch veranlagt, gell?
Und die Inlandsnachfrage, ja mein Gott, das kann doch nur ein Missverständnis sein. Wir sollten doch sparen und keine Schulden machen. Ein guter Tag beginnt mit einem konsolidierten Haushalt ((Ha, “Haushalt”. Aber bei der Frage, wie geht es der österreichischen Wirtschaft? sind die privaten Haushalte ja wahrscheinlich doch außen vor, d.h. gar nicht so gemeint.)), hieß es, null Defizit war die Devise (oder “Nulldefizit”, aber das hab ich nie ganz verstanden).
‘Schwache Inlandsnachfrage’, wenn es nichts schlimmeres ist, das lässt sich doch leicht beheben! Ein ordentliches Plus in der Herbstlohnrunde mit deutlichen Kaufkraftzuwächsen für unsere privaten Haushalte und das renkt sich wieder ein!!! Sowieso hoch an der Zeit, verdammt noch mal. Und dann haut das mit der Binnennachfrage gleich viel besser hin.
Meldung zur Herbstlohnrunde
Selbiges Mittagjournal. Es folgt bereits die Meldung, dass es gerade eben heute in die Herbstlohnrunde geht. Bei dem Thema waren wir gerade. Stichwort ‘Inlandsnachfrage’. Das Rezept ist wohl klar, mehr Geld in den privaten Haushalten kurbelt die Nachfrage an und unsere österreichische Wirtschaft hat ein Problem weniger. Wunderbar wie sich alles erledigt. 🙂
[Audio:mj_28092007_3_meldung_herbstlohnrunde.mp3]
??? 😐 ??? 😕 ??? 😯 ???
Die Arbeitgeber warnen vor negativen Folgen höherer Lohnzuwächse für das Wirtschaftswachstum?
Ist die ökonomische Vernunft unter den Arbeitgebern so dünn gesäht? Sind nicht Lohnrunden der Vernunft (siehe oben) gefordert? Es ist doch wahrlich nicht so schwierig zu verstehen:
→ Höhere Lohnzuwächse → mehr an Kaufkraft → stärkere Binnennachfrage → größeres Plus beim Wirtschaftswachstum
Tatsächlich gilt hier sogar der Umkehrschluss:
→ niedrige Lohnzuwächse → Reallohnverlust → geringe Kaufkraft → schwache Binnennachfrage → klagende Wirtschaftsforscher und ‑experten, die die schwache Binnennachfrage für ein geringes Wirtschaftswachstum verantwortlich machen
Aber gut, noch ist nichts passiert. Und wie lautet es in der Meldung: die Sozialpartner treffen heute zusammen (das müssten dann sein: BWK, AK gemeinsam mit ÖGB und Regierung(?)), um zuerst einmal jene Wirtschaftsdaten außer Streit zu stellen, die die Grundlage für die weiteren Verhandlungen bilden sollen. Damit sollte sich die Vernunft noch durchsetzen können, der Irrtum der Arbeitgeber muss spätestens da aufgeklärt werden. Vielleicht klärt sich das ganze Missverständnis dahingehend auf, dass der Ö1-Redakteur etwas falsch verstanden hat?
Allerdings habe ich noch ein weiteres Problem mit dieser Kurzmeldung.
Rhetorische Konstruktion von Gebern und Empfängern
Bitte hören wir uns den Kurzbeitrag oben noch einmal an. Danke. Was fällt da noch auf?
Die Arbeitnehmerverbände werden für die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer einen Anteil am Wirtschaftswachstum fordern,
heißt es einerseits und
die Arbeitgeber warnen vor negativen Folgen höherer Lohnzuwächse für das Wirtschaftswachstum
heißt es auf der anderen Seite.
Was soll das? Die einen brauchen jemanden, der für sie einen Anteil fordert. Und nicht einmal einfach fordert sondern erst fordern wird, es also nur vorhat. Die anderen haben es offensichtlich nicht nötig ihrerseits mit Forderungen in die Verhandlungen zu gehen. Die stehen da drüber, brauchen auch keine Vertretung, keinen Verband sondern sind ein … äh … homogenes Kollektiv? Und dieses selbstsichere und selbstlose Kollektiv(?) hat keine eigenen Interessen sondern kümmert sich nur um das Wohl der Volkswirtschaft? Um unser aller Wirtschaftswachstum? Das selbstlose Kollektiv ‘Arbeitgeber’ warnt daher vor negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum. Warnt wen? Das Volk? Sich selbst? Oder doch ihre Vertreter?
Ich werde das jetzt einmal umformulieren:
Die Arbeitgeberverbände werden für die Unternehmerinnen und Unternehmer einen Anteil am Wirtschaftswachstum fordern, die Arbeitnehmer warnen vor negativen Folgen niedriger Lohnzuwächse für das Wirtschaftswachstum.
Klingt doch gleich ganz anders, oder? Klingt besser? Klingt richtiger, sage ich. Was sagt Ihr? Was würde da wohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk sagen.
Zwischendurch ein Hinweis auf das Europajournal
Wir sind noch mitten im Mittagsjournal. Jetzt ein Hinweis auf das Europajournal am Abend. Heute unter anderem mit einem Bericht zu Ungarn, dem ‘früheren Musterschüler unter den Reformländern’. (Ja genau, ganze Staaten werden ebenfalls gerne wie Personen behandelt. Und so ist ein Staat ganz schnell einmal gut oder böse, brav oder faul. Aber das kennen wir ja alle. So lässt sich nicht nur gut Politik machen, so kann objektive Berichterstattung etwas vermenschelter gestaltet werden.)
[Audio:mj_28092007_4_teaser_europajournal.mp3]
Der frühere Musterschüler war schlimm und das hat er davon, der Ungarn. Fragen wir mal nicht, was das Muster war, wer es vorgegeben hat, nachdem der Schüler Ungarn früher brav gehandelt und zuletzt aber nicht mehr gehandelt hat. Jetzt ist der Schüler Ungarn jedenfalls zurückgestuft auf das Niveau eines Kindes, ein Sorgenkind der EU. Was hat das Kind vermasselt? Das Wirtschaftswachstum!!
Damit sind wir wieder bei unserer den ganzen Beitrag durchziehenden Sorge um das Wirtschaftswachstum. Schüler Ungarn hatte mal gute Zensuren (höheres Wirtschaftswachstum), aber das Kind hat’s vergeigt, steht jetzt bei mageren und schlusslichthaften +2% Wachstum. Wieso?
Grund dafür ist ein restriktiver Sparkurs der Regierung in Budapest.
Liebe Leserin, lieber Leser, zwischendurch die Frage, kennen Sie sich noch aus? Beim Ö1-Mittagsjournal meine ich.
Jedenfalls haben wir jetzt wenigsten die Bestätigung – praktischerweise innerhalb des gleichen Mittagsjournals –, dass das mit dem Sparen doch nicht so super ist. Wir sehen schön, wenn kein Geld ausgegeben wird, weil keines ausgegeben werden kann/will, dann zeitigt das negative Folgen für das Wirtschaftswachstum. Quod erat demonstrandum.
Wir können dem eigentlichen Bericht von Ö1 zur Situation unserer Volkswirtschaft mit einiger Ruhe und Beruhigung entgegensehen.
Der Mittagsjournal-Bericht
hier nun endlich das Tondokument (und hier auch ein Link zum Bericht auf der Ö1-Webseite dazu: Wirtschaft wächst heuer mehr, 2008 weniger):
[Audio:mj_28092007_5_bericht_wirtschaftsprognose.mp3]
Alles wieder anders, widersprüchlicher und natürlich mit Vorsicht zu genießen. Sowohl die Prognosen als auch die Erklärungen als auch die sprachliche Darstellung.
- Punkt ‘Risikofaktor’ und ‘Grund’
Die Immobilienkrise (nur der USA?) ist mithin nur mehr ein Risikofaktor. Bleibt ‘der schwache Konsum daheim’ als ‘der andere Grund’ einzig und allein über. Danke! Wir alle also wieder Schuld. Wir alle sind schuld, weil wir so schwach konsumieren.
Der Risikofaktor ist außerdem … brummel brummel … doch auch nur ein kleiner, sagt IHS-Direktor Felderer, der überhaupt auch der Beste von Allen ist, wenn es um die Frage geht, wie geht es unserer Wirtschaft? ((Der hat schließlich am meisten Übung und gewinnt seine Sicherheit nicht zuletzt daraus, immer das gleiche herunterzuleiern.)) Seine Einschätzung punkto Risikofaktor lautet schließlich:
Die Finanzkrise wird sich sehr schwach auswirken … Es sei denn, es gibt noch irgendwelche Großereignisse … Was aber niemand eigentlich annimmt.
Ist das bewusste Täuschung, damit wir uns keine Sorgen machen, oder ist das Ahnungslosigkeit und Unfähigkeit? Ein bißchen, ganz wenig surfen im WWW genügt, und es sind viel zu viele – auch ausgewiesene Wirtschaftswissenschaftler und Experten (auch schon vor Ausbruch der Immoblilienkrise) zu finden –, die diese Aussage des IHS-Chefs als … brummel brummel … naja eines von beidem konterkarieren: (Beschwichtigungs-)Lüge oder Unfähigkeit.
- Punkt ‘Investitionen der Wirtschaft’
Wir müssen, sagt Prof. Aiginger vom WIFO, auch verstehen, dass die Wirtschaft (an dieser Stelle ist mit Die Wirtschaft offensichtlich ausschließlich gemeint: die Unternehmen)
das Geld auch für Innovationen und für Auslandsinvestitionen braucht.
Mhm. Erstens, gibt es jemanden, der oder die das abstreitet, nicht versteht und in Frage stellt? Meines Wissens nach nicht. Warum also dieses Verständnis heischen?
Zweitens, wie wäre es in diesem Kontext mit der Forderung, die Unternehmen sollten das auch vermehrt tun? Vielleicht à la der souveränen und wohlgemeinten Warnung,
es ist zu warnen davor, dass die Unternehmen nicht ausreichend in F&E und vor allem in die Aus- und Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen investieren und dieses Geld stattdessen über hohe Dividenden an ausschütten, zusätzliche Prämien an Manager auszahlen oder Kriegskassen für Unternehmensübernahmen füllen.
- Punkt ‘Lohnerhöhungen’, ‘Steuer’ und ‘Inflationsrate’
À propos beschwichtigen. Die Lohnerhöhungen lagen zuletzt eh doch alle deutlich über der Inflationsrate! Ach ja, welche Inflationsrate? Das Mittel, welches von der Statistik Austria über den standardisierten Warenkorb erhoben wird? Also die Relevanz von Ausgaben für das Auto ist für viele AlleinerzieherInnen, StudentInnen, prekäre Atypische, PensionistInnen etc., die sich ein Auto gar nicht leisten können/wollen ziemlich endenwollend.
Die Steuer und namentlich die hohe Besteuerung auf den Faktor Arbeit ist schuld? Aber geh. Und als unausgesprochene Konsequenz heißt das? Die Arbeitgeber können da nichts dafür und denen geht’s auch schlecht und daher bitte “vernünftige Lohnrunden” machen?
Das WIFO fordert nun auch – allenthalben, höflich und moderat – eine höhere Besteuerung des Faktors Vermögen und eine Entlastung des Faktors Arbeit. Warum kommt an dieser Stelle nur die eine Seite der Medaille?
Es geht wohl, vor allem im hier laufend relevanten Kontext von Kaufkraft und Wirtschaftswachstum, um die Reallohnentwicklung. Könnten wir das Kind nicht beim Namen nennen?
Ich zitiere mal die AK:
- Punkt ‘Forderungen der Gewerkschaft’
Die Professoren wollen zu den Forderungen der Gewerkschaft wenig sagen, spricht die Nachrichtensprecherin. “Wollen zu den Forderungen der Gewerkschaft wenig sagen …”
Allein dieser Satz dient dazu das Bild vom ungebührlich fordernden Kind zu evozieren, das seinen wohlwollenden Eltern gegenüber steht. Man nennt so etwas unterschwellige Bildsprache.
Und so geht es auch weiter. Begann der Satz mit eben diesem, sie wollten zu den Forderungen der Gewerkschaft heute wenig sagen, so setzt er nun (eigentlich widersprüchlich) mit nur soviel sagt Felderer, und dann dieser im O‑Ton (begütigend):
Alle sind sich einig das die Abschlüsse etwas höher sein könnten als das letzte Mal. Aber ich will keine Zahl nennen.
Ja, das ist doch wohlwollend gegenüber den Forderungen der Gewerkschaft, oder?
Psst, wieso eigentlich schon wieder nur Forderungen einer Seite? Geht es nicht um Verhandlungen von zwei Verhandlungsparteien, die beide mit Verhandlungspositionen (Forderungen) in diese Verhandlungen gehen? Haben nicht ArbeitnehmerInnen und Arbeitgeber gemeinsam das Wirtschaftswachstum erwirtschaftet?
- Punkt ‘altbekannte Mahnung’
Was soll ich dazu noch sagen. Inhaltlich nichts mehr, meine Position und Meinung wird bereits ausreichend durchscheinen, zwei Links vielleicht noch, jeweils zu den NachDenkSeiten: einmal zum Drama rund um die öffentliche Verschuldung und einmal zu einer kurzen Buchbesprechung.
Abseits des Inhalts der sowieso altbekannten Mahnung ist jedoch wiederum interessant zu bemerken, an welche Stelle diese Mahnung im Beitrag gesetzt wird. An das Ende. Als Abschluss und Zusammenfassung nach manchen Wendungen, nach vielen Aber’s und Aber auch’s, nach diesem und jenem, was zu bedenken wäre.
Die Berichterstattung muss ausgewogen sein, so eine normative Regel des Journalismus.
Die Berichterstattung muss ausgewogen erscheinen, so die Praxis. Erreicht wird der Anschein der Ausgewogenheit durch rhetorische Kniffe, die es so erscheinen lassen, als würden gegensätzliche Positionen dargestellt, als würden beide Seiten zu Wort kommen. Es wird – der ZuschauerIn, der LeserIn, der HöhrerIn – eine Bandbreite an Sichtweisen und Argumentation eröffnet, scheint es. Immer öfter ist diese Bandbreite eine illusionäres Blublablub, nicht nur hier sondern im geringeren Maße auch im Ö1-Mittagsjournal, das ich nichtsdestotrotz in Österreich für eine Bastion und unabhänigen Journalismus halte.
Aber so funktioniert es, freilich auch ohne bewusste Verstärkung der tätigen JournalistInnen:
Zuerst kommt die Illusion der Bandbreite der Sichtweisen. Dann kommt die altbekannte Mahnung. In unendlicher Repetition. Als Mantra. Die Wiederholung macht’s, dass uns der banalste Blödsinn als gesellschaftlicher Konsens oder wissenschaftlicher Konsens von ExpertInnen vorgemacht werden kann.
Nachtrag: und jetzt bin ich sauer
Tags darauf der Ö1-Bericht zur anstehenden Lohnrunde, aufgemacht mit dem Titel Ederer für Einmalzahlung. Nein, ich bin nicht erbost über die Aussagen Ederers, Ex-Politikerin aus den Reihen der Partei, die sich die Sozialdemokratie nennt. Die Frau war damals Funktionsträgerin und ist heute Funktionsträgerin. Als SP-Partei-Politikerin mit spezifischen Aufgabengebieten hat sie aus diesem Kontext heraus agiert, Aussagen getätigt, Forderungen gestellt. Jetzt ist sie Managerin eines Konzerns. Als solche betrachtet sie die Welt auch aus dieser Perspektive, muss das in ihrem Interesse so tun. Sie agiert nun aus diesem funktionalen Kontext heraus, tätigt Aussagen als Managerin eines Großkonzerns. Stellt Forderungen als ‘Arbeitgeberin’. So weit so logisch und so weit so gut.
Aber warum verdammt noch mal von allen Managern und (den wenigen Managerinnen) wird sie vom öffentlich-rechtlichen zitiert, sie und nur sie. Weil sie eine Vergangenheit als SP-Politikerin hat?
Weil mit ihr – fälschlich und verlogen – suggeriert werden soll, ihre Aussage sei neutral?
Weil suggeriert werden soll, der Inhalt ihrer Aussage – es soll trotz des angeblich so tollen Wirtschaftswachstums und trotz äußerst moderater Lohnerhöhungen in den letzten Jahren (und trotz laufender Entlastungen der Arbeitnehmerseite) keine Lohnerhöhungen geben sondern nur Einmalzahlungsalmosen – eine objektive Wahrheit ist?
Eine Antwort auf „Die Herbstlohnrunde und die Sorge ums Wirtschaftswachstum“
Üblicherweise dienen die Mantras von der schwachen Inlandsnachfrage zur Rechtfertigung von “dirigistischen Maßnahmen” im Widerspruch zu den “selbstregulierenden Marktkräften” — allerdings nur in ausgewählten Fällen wie Rüstungsausgaben.
Ederer war und ist Funktionsträgerin des Neoliberalismus, damals als Lügenpropagandistin für die Volksabstimmung über den EU-Beitritt, jetzt als Managerin eines Konzerns, der von den neoliberalen Weichenstellungen in der EU profitiert: http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2520
Insgesamt war der Beitrag jedenfalls ein herrliches Gegen-den-Strich-Bürsten der sattsam bekannten Phrasen des Mainstreams.