Um aus dem Kopfschütteln wieder rauszukommen, ich wiederhole mal meinen Twittereintrag von vor ein paar Minuten:
penetrante selbstanmaßung scheint die trendsportart des frühlings zu sein
Ansonsten wär ich beinahe sprachlos. Hybris galore. Gestern nacht, nach hause kommend und tweets ((Kurznachrichten über den web2.0‑Dienst Twitter, der das abonnieren von anderen Benutzern sehr einfach und praktisch möglich macht.)) nachlesen, wollte ich ja noch an eine halblustige “Kunstaktion” und Intervention im onlinemedialen Bereich glauben.
Da konstituiert sich ein selbst ernannter “Online-Sitten-Wächter”-Club und Vorstand, ua. mit einem Generalsekretär, der mir noch als Spammer unangenehm in Erinnerung ist. ((Ich hatte irgendwann mal Ritchie B. Pettauer als Follower auf Twitter, habe festgestellt, dass dieser mit dem bekannten Datenschmutz-Blog einiges Renomée hat und habe daraufhin meinerseits auf ‘Follow’ geklickt. Im übrigen trotz des Eindrucks eher uninteressanter Tweets mit noch dazu einiger EigenPromo. Allerdings bekam ich dann irgendwann bald ‘Direct Messages’ mit Eigenwerbung des Herrn Pettauer, den ich ansonsten ja nicht kenne. Ein klarer Fall von Unhöflichkeit und Spam. Seit dem habe ich diesen Twitter-Account auch wieder entfollowed. Jetzt stellt sich selbige Person als Sittenwächter für das Internet dar?)) Will die Gruppe humorvoll und mit Techniken der Kommunikationsguerilla auf die zunehmende Dämonisierung des Internet und auf laufende Zensurabsichten durch Regierungen aufmerksam machen, die sich damit zu Erfüllungsgehilfen von Großkonzernen mit klar ökonomischen Absichten machen? Oder was soll das?
Der angemaßte Sitten-Wächter-Auftrag scheint ernst gemeint zu sein
… und erinnern mich an Karl Rove und Dick Cheney, wie sie für die Klassifikation von guten Demokratien, nicht so guten “alten Demokratien” und Achsen der Bösen stehen.
… erinnern mich an die rassistische FPÖ, wie sie für Bürgerwehren und für Recht und Ordnung eintritt.
… erinnert mich an die Erfindung von Kontrollinstanzen gegen einen unverantwortlich agierenden Finanzmarkt, die dann mit Investment-Bankern und Apologeten des deregulierten Selbstbedienungskapitalmarkts besetzt werden.
… erinnert mich an europäische Lebensmittelkontrollbehörden, in denen die Lobbyisten der Pharmaindustrie und Lebensmitteldesigner sitzen.
Bizarr bis zum geht nicht mehr. Und als Vorbild scheint die Selbstkontrolle einer Branche zu dienen, die wie kaum eine andere ihren Kontrollfunktionen nicht nachkommt. Jep, ich rede vom Massenmediensystem.
In 24Stunden ein katastrophales Bild abliefern
Das haben die selbst ernannten Sittenwächter zumindest bei mir geschafft:
- Einfach tausend Twitteraccounts abonnieren noch bevor die eigene Webpräsenz auch nur mit Missionstatement und Impressum ausgestattet ist.
- Mit dem Begriff unethisch herumwerfen; und zwar in einer Art und Weise, dass sich die Vermutung aufdrängt, die handelnden Personen (wer auch immer das ist) haben keinen Tau von dem Begriff. Siehe auch “Selbstethik”.
- Hauptsache mal eine hilflose “Selbsteingabe” machen und machen müssen, sehr zurecht nämlich.
- Aber der Höhepunkt ist wohl das:
Allen möglichen Personen unangenehm auffallen, in Stillosigkeit auf andere Füße steigen und dann auch noch einen peinsamen Pranger hervor holen, wenn da jemand soweit geht, das peinliche Spektakel angemessen und ungeschminkt zu kommentieren.
… mensch (bzw. RAT) entblödet sich nicht von einem “Zuständigkeitsbereich” zu schreiben und die Andeutung einer Klage wegen “Beleidigung sowie ruf- und kreditschädigende Äußerungen” in den Raum zu stellen. 🙄
Das ist nun nicht mehr nur indiskutabel sondern nur mehr jenseitig, Willkür2.0, und verdient meiner Meinung nach nur eine angegezeigte Reaktion:
ein simles wie solidarisches FUCK YOU
… nebst Abbestellung des Abonnements der Twitterkonten der beteiligten Personen, die für diese Intervention verantwortlich zeigen. Das lege ich niemanden nahe und ist nur meine Entscheidung. Twitter verpflichtet schließlich nicht dazu, sich ärgern zu müssen.
Das solidarische FUCK YOU lege ich anderen allerdings schon nahe und finde, das gehörte sich. Ethisch. ((Dazu muss das Fuck you weder meine Wahl der Ausdrucksform sein, noch heiße ich die Ausdrucksweise vom Zwischenrufer recht. Ich habe sogar meine Probleme mit einigen seiner Aussagen via Twitter und der Art, wie er sie formuliert. Allerdings würde ich ihm das persönlich sagen und mich erklären, was mir an diesen Aussagen nicht passt. Die Anmaßung eines virtuellen Prangers aus der Position moralischer Selbstanmaßung, noch dazu garniert mit fachlicher Bedürftigkeit, kann aber kaum anders beantwortet werden, als sich mit der an den Pranger gestellten Aussage öffentlich zu solidarisieren.))
Dennoch auch ein Dank an den Internetrat
Ich habe freilich etwas, das ich diesem sogenannten Internetrat persönlich hoch anrechne. Ich habe keine Meldung erhalten, dass mir diese “Online-Sitten-Wächter” nun via Twitter folgen, wie so vielen anderen. Dafür bin ich dankbar und ganz offen, ich hätte eine Benachrichtigung, dass mir dieser Verein folgt als sittenwidrigen Spam betrachtet.
7 Antworten auf „ein simples wie klares solidarisches ‘Fuck You’“
Aufgrund der im Vorstand befindlichen Personen gehe ich davon aus dass es jedenfalls nicht ernst gemeint sein kann, auch wenn ich nicht weiß, was es sonst sein soll (Satire, Kunst, PR,…?)…
tja, wie schon in antwort auf Markus Otti geschrieben, das sähe ich auch als best case und gönnte den “im Vorstand befindlichen Personen” dann gerne die diebische freude an meiner reaktion.
Ich habe meine reaktion auch nur an der für mich “objektiv bemessbaren datenlage” festgemacht und nicht mit vermutungen um mögliche hintergründe vermengt. Die klare verurteilung ist nicht auf die personen gemünzt sondern auf die aktion.
Ist die aktion ernst gemeint, werden sie meine reaktion unmissverständlich als kritik sehen. Wenn sie intervention ist, um reaktion zu evozieren, dann wird obiger artikel ganz in ihrem sinne sein.
Ich neige eher zur Ansicht, dass es sich um einen Fall von Satire handelt… 🙂 Zumindest spricht da bis jetzt nichts eindeutig dagegen…
Das war ja, wie oben geschrieben, meine erste vermutung und hoffnung und: es ist weiterhin meine hoffnung!
In dem fall ist der blogpost oben deswegen ja nicht hinfällig, sondern wahrscheinlich einer, über den sich die initiatorInnen freuen.
Wenn das ganze theater eine intervention ist (quasi aktionsforschung), um auf einen gesellschaftlichen problemkomplex aufmerksam zu machen, dann ist es einfach so, dass ich “mitspiele”.
Dann träfen sich die intentionen der initiatorInnen mit meiner sicht. Dann wäre klar, dass Sie wie ich diesen problemkomplex als wichtig und neuralgisch ansehen.
(Mit fragendem Blick) Reagierst du da nicht etwas über?
Ich verstehe die Aufregung nicht!
das kann/mag sein, dass ich überreagiere. Das risiko besteht immer. Und klarerweise ist der konkrete fall eines “internetrats” as belanglos as can be.
Ich behandle also in dem sinn nicht den belanglosen fall, sondern das, wofür das steht.
Es regt mich auch nicht sonderlich auf. Es geht vielmehr (es geht mir vielmehr) um zivilcourage und ein eindeutiges position beziehen; nochmal: nicht wegen des belanglosen fallbsp sondern der sache.
Die von Ihnen angesprochenen seinerzeitigen Direct Messages resultierten aus einer Fehlkonfiguration eines von mir genützten Mash-Ups, für das sich deren Betreiber im nachhinein entschuldigt haben. Der angerichtete Schaden ist groß, und ich erwäge ernsthaft, eine Selbsteingabe beim ÖIR zu tätigen,fürchte aber, dass der Sachverhalt bereits verjährt ist.