Stelle hiermit wiedereinmal aufgezeichnetes Tonmaterial online, diesmal mit Bildmaterial unterlegt. Ergibt zusammen dann ein Video.
Der Hinweis, dass es zuallererst um die Tonstrecke geht, ist mir wichtig. Die Bilder sollten vom Gesagten nicht ablenken.
Es handelt sich um das Interview, das Gabi Waldner mit BMI Platter Mitte Juli für das Ö1 Mittagsjournal geführt hat. Diesem Interview hatte ich mich schon hier gewidmet. Warum schon wieder?
Die einleitenden Worte und das Interview selbst illustrieren, nein, beweisen exemplarisch:
Es gibt nur den “Fall Platter”, keinen Fall Arigona!
Den Fall Zogaj oder den Fall Arigona gibt es nicht. Klar ist es gut gemeint, aber solche Aktionen auf Fellner-Niveau sind verfehlt und spielen dem Minister und der ÖVP nur in die Hände. ((Ich bin gefragt worden wieso? Die Konzentration auf einen Namen, ein schönes Gesicht, telegene Rehaugen, die die Betroffene wohl gerne den Kameras vorenthalten hätte für ein wenig Ruhe für ihre Familie, wem spielt sie denn in die Hände? Der Betroffenen? Kaum. Den PolitikerInnen, die das alles und viel mehr verbocken. Für sie in der Krise eine win-win-Situation. Die Rehaugen lenken von der eigentlichen Problematik ab und bieten die besten Vorraussetzungen, sich wiedermal MENSCHLICH HERZLICH zu präsentieren. Mit der mitleidenden Bevölkerung wird ein Deal ausgemacht, der den Politiker gut dastehen lässt: als gütliche, verantwortliche und verzeihende Vaterfigur. Er hat ein Opfer gebracht und gezeigt, dass er ein Mensch ist. Aber er hat in der Sache nicht nachgegeben, was seine Vaterrolle festigt und uns Achtung abverlangt. Das Opfer ist also auch eines, das wir gebracht haben. Denn wir haben den Vater dazu gezwungen, uns einen irrationalen Gefallen zu tun. Er hat es getan, uns zuliebe und wider besseren Wissens. Das heißt, jetzt aber keine ungehörigen Wünsche mehr. Danke lieber Vater. Wir werden dafür jetzt umso braver sein.)) Sie ist kein Einzelfall, es steckt System dahinter.
Es steckt System hinter der Rhetorik des Ministers. Es steckt ein System hinter den Behauptungen und Verleumdungen des Ministers, hinter dem Gesetzesvollzug des Ministers. Es steckt System hinter den Rechtsverletzungen des Ministers.
Listen!
Das Interview ist zusammen geschnitten und von fast 15 Minuten auf die vorliegenden gut 5 Minuten gekürzt.
Ich lege wert auf die Feststellung, dass es nicht verfälscht ist. Dem Schnitt zum Opfer gefallen ist u.a. der Hinweis von Gabi Waldner, dass BP Fischer bereits 1½ Monate zuvor einen humanen Vollzug des Fremdenrechts gefordert hatte. Dem Schnitt zum Opfer gefallen sind auch die brillant dämlichen Diskussionen zur Präventivhaft für EURO 2008 Besucher und die an Peinlichkeit nicht mehr zu überbietende Debatte um eine Abschusserlaubnis von Flugzeugen durch die österreichische Luftwaffe.
Hinweise
ad Demo
An dieser Stelle noch ein paar Hinweise und Links. Zuerst in direktem Zusammenhang mit der gestrigen Bleiberechtsdemo, die Rede, die Doron Rabinovici am Michaelerplatz gehalten hat. Wirklich gerne Verlinken würde ich die Reden von Kurt ‘Ostbahn’ Resetarits und … aber holla … sogar gefunden. Also hiermit verlinke ich zur Rede von Dr. Luitgard Derschmidt, der Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs (KAÖ). Und ich tue das auch als überzeugter, fast militanter Atheist sehr gerne.
Arbeit, Beschäftigung und Straftätervorwurf
Ja, wie oben am Ende des Interviews gehört, der Minister steht — stotternd zwar aber doch — zur Hetze gegen Kriegsflüchtlinge, die er mit Vorliebe in den Kontext von Straftaten und Verbrechen stellt. Nüchtern und sachlich, wissenschaftlich fundiert kann und muss mensch hier von Rassismus sprechen.
Das sind somit die selbstverständlichen Koalitionäre des Ministers:
Die Bilder, die hier bedient werden, nichts anderes als professionelle Imagepflege. Aber es ist das Image der AsylantInnen, das solcherart konstruiert wird. Nur halt nicht zu deren Vorteil sondern zum Vorteil anderer. Wehren können sie sich ja kaum.
Den Zugang zu den Medien haben exklusiv die PolitikerInnen. Und die bemühen sich redlich, dass bei AsylantInnen niemand mehr an Krieg denkt sondern an Verbrecher, an Kriminalität, an ungebildete Arbeitslose, an rabiate und stillose Bettler, faul, undankbar und dreckig.
An diesem Bild soll offensichtlich nicht gerüttelt werden. Daher weist auch nirgendwo irgendwer auf diesen brachialen Widerspruch hin, dass diese potentiellen und tatsächlichen Verbrecher hier reguläre Arbeitsplätze haben, Steuer zahlen, Beiträge leisten und — wie heißt es so schön — die Wirtschaft ankurbeln.
I heiß’ Pospischill, er hot Hojak g’heißen, di nenn’ ma die Ari
Da würden sich die Verbrecher doch glatt als Kollegin und Kollege herausstellen. Wir könnten sie sehen als Hackler, die genauso hackeln für ihr Essen, ihr Dach über den Kopf und ihre Kleidung wie wir alle. Dass diese Verbrecher Beiträge einzahlen (z.B. Pension) und Steuern entrichten für diesen österreichischen Staat, der angeblich vor ihnen geschützt werden muss, das passt nun mal gar nicht in das seit langem aufgebaute Image der nichtsnutzigen AsylantInnen, das Haider und Westenthaler und Schlögl und Strache und Platter & Co. bis zum geht-nicht-mehr nähren.
Dort, wo das Bild aus den Medien durch die Realität konterkariert wird, dort zerfällt die Brandmarkung sofort. Zuletzt wieder gesehen in Frankenburg. Nur dort, wo es weder Ausländer noch Asylanten gibt, dort kann die durch Medien und Politiker evozierte Imagearbeit solche Früchte wie einen Franz Fuchs erschaffen.
Wolfgang Miko: verdächtig!
Die berühmt-berüchtigten Zogajs, für viele eindeutig bewiesener Maßen nichts anderes als Verbrecher, die hatten einen Arbeitgeber, der nicht nur mit seinen ArbeitnehmerInnen zufrieden war sondern das auch noch öffentlich hören ließ. Ja, der Herr Miko meint sogar, den Zogajs ihre Arbeitsplätze wieder anbieten zu müssen, sollten sie aller Politik zum Trotz doch in Österreich arbeiten dürfen.
Die ZiB2 vom Dienstag, dem 9. Oktober hat gezeigt, was dem Herrn Miko das eingebracht hat, den Besuch der Fremdenpolizei. Verdacht: er versteckt AsylantInnen, Flüchtlinge, Verbrecher.
Ich frage:
Wie lange ist es her, dass in diesem Lande das Verstecken von Flüchtlingen vor der Polizei eine moralischen Pflicht war? Wer kann sich erinnern? Wer erinnert sich schließlich daran, wie eine Generation später, plötzlich alle möglichen Helden des Alltags damals Flüchtlinge versteckt haben wollten?
Was haben die Häscher von damals mit den Häschern von heute gemein? Haben sie etwas gemein?
Teure, undankbare AsylantInnen im reichen Österreich
Aber so reich sind wir ja auch wieder nicht. Und wir spenden sowieso so viel. Überhaupt spendet niemand so viel wie wir. Woher ich das hab? Na das sagen doch alle.
Und wenn’s uns in Österreich sooo gut ginge, dann müsste z.B. der Bartenstein nicht ständig irgendwelche Kontingente von Saisonarbeitskräften aufstocken. Die arbeiten dann bei uns, weil wir keine ordentlichen Löhne zahlen können und dann solche Ausländer kommen lassen müssen, die bei uns ja eigentlich gar nicht arbeiten dürfen.
Generell stehe ich auf dem Standpunkt, dass man Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen darf: nämlich Leute ins Land zu holen, und sie dann, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, wieder wegzuschicken. Für die Regierung gilt der Grundsatz: Integration vor Neuzuzug.
Arbeitsminister Martin Bartenstein am 12. August 2000 im “profil”
Aber Saisonarbeitskräfte sind schon gut. Die kosten quasi nichts. Und Rechte brauchen die auch keine haben, weil die sind nur ein paar Monate da und dann … neue. Die Zogajs können also eh zurückkommen. Zum arbeiten. Ein paar Monate als Saisonarbeiter.
Solche “Saisonniers” will man dafür immer mehr: Theoretisch kann Bartenstein mit Verordnungen — nach Absprache mit den Sozialpartnern — so viele Saisonniers ins Land holen, wie er will. Die Quote von derzeit etwa 8000 gilt für jede Branche extra: Es dürfen jedes halbe Jahr zum Beispiel 8000 Krankenpfleger, 8000 Mechaniker und 8000 Spengler ins Land kommen und jeweils ein Jahr bleiben. Integriert werden die rechtlosen Saisonarbeiter nicht: Sie dürfen ihre Familien legal nicht nachholen, besuchen keine Sprachkurse, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung.
Falter 23/02 vom 05.06.2002 zu Bartensteins Aussage. Kurz darauf wurden die 8000er-Grenze überschritten und wird seitdem laufend ausgedehnt.
Wirtschaftsflüchtlinge, von Krieg keine Rede
Zum widerwärtigsten der vergangen Tage Wochen Monate gehören die Postings, in denen aufmerksame PolitikbeobachterInnen zu wissen glauben, dass z.B. die Zogajs ein superschönes Haus im Kosovo haben. Und überhaupt, nachdem sie bei uns ein bißchen ‘was verdient haben sind sie da unten sowieso Könige.
Schön langsam sickert in den Medien durch, und das will etwas heißen, dass es im Kosovo alles andere als sicher ist.
Dazu ein Hinweis Peter Pilz’ Tagebucheintrag vom 9.10.2007:
Darabos übersieht dabei etwas noch Wichtigeres: Am 10. Dezember läuft das Kosovo-Mandat des UN-Sicherheitsrates aus. Dann werden die USA versuchen, einseitig eine Anerkennungs-Kettenreaktion in Gang zu bringen. Damit wird aus dem Krisenherd wieder ein Pulverfass.
Fast 600 österreichische Soldaten stehen dort. Schon bald kann es genau dort losgehen. Aber Darabos hat Afrika entdeckt.
Während Darabos den 10. Dezember auf seine Einheiten zukommen lässt, deportiert der Innenminister gut integrierte Familien mit ihren Kindern ins Krisengebiet. Bald können Kinder, die sich vor wenigen Tagen noch in Österreich sicher gefühlt haben, im Kosovo Deckung suchen. Für jedes dieser Kinder trägt Günter Platter die alleinige persönliche Verantwortung. Er weiß besser als Darabos, wie gefährlich der Kosovo nach wie vor ist.
Das ist die Frage, auf die viele keine Antwort finden: Warum nimmt Platter das alles in Kauf? Warum riskiert er Gesundheit und Leben von Kindern?
Leider erst zuletzt, der Artikel, der das alles am besten zusammenfasst. Wieder mal Florian Klenk. Danke.
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3 Antworten auf „Video zur Bleiberechtsdemo und Interview Platters“
[…] Ein interessanter Hintergrundbericht aus dem letzten Jahr findet sich im kellerabteil Share if you […]
[…] If you wold like to follow the debate on the right of residence for asylum seekers — in German though — please have a look at this link. […]
Überaus spannender Beitrag mit informativem Video/Radio-Interview mit Innenminister Platter. Ich habe selbst das Bleiberecht nicht thematisiert, wohl aber die zwei Aktuelle Fälle, in welchen das Innenministerium, medial unterstützt vom Innenminister persönlich, Familen zerrissen und Jugendliche zu U‑Botten gemacht hat.
Mein Blog: http://mwurz1975.wordpress.com/
Interessant sind auch die Kommentare, die auf meinen Kommentar zu einem Beitrag in derstandard.at erschienen ist: http://derstandard.at/?url=/?id=3116264 (mein Kommentart is namentlich gekennzeichnet)
Hoch interessant und informativ. Ich werde diesen Link meinem Beitrag hinzufügen, wenngleich mein Kommentar in Egnlisch ist.
Mit freundlichen Grüssen
Matthias Wurz
Executive Editor
The Vienna Review