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SoZi 36|09: Acht-Punkte-Proklamation des poetischen Actes

inspiri­ert — das stu­pide abtip­pen unten­ste­hen­den textes näm­lich -
von mein­er reise/raumerkundung in der ostschweiz,
den begeg­nun­gen mit dani ‘ubu’ fels und ste­fan ’sms’ sey­del.
for you.

Acht-Punk­te-Prokla­ma­tion des poet­is­chen Actes (1953)

Es gibt einen Satz, der unan­greif­bar ist, näm­lich der, dass man Dichter sein kann, ohne auch irgend­je­mals ein Wort geschrieben oder gesprochen zu haben.
Vorbe­din­gung ist aber der mehr oder min­der gefühlte Wun­sch, poet­isch han­deln zu wollen. Die alo­gis­che Geste selb­st kann, der­art aus­ge­führt, zu einem Act aus­geze­ich­neter Schön­heit, ja zum Gedicht erhoben wer­den. Schön­heit allerd­ings ist ein Begriff, der sich hier in einem sehr geweit­eten Spiel­raum bewe­gen darf.

1 ) Der poet­is­che Act ist jene Dich­tung, die jede Wieder­gabe aus zweit­er Hand ablehnt, das heißt, jede Ver­mit­tlung durch Sprache, Musik oder Schrift.

2 ) Der poet­is­che Act ist Dich­tung um der reinen Dich­tung willen. Er ist reine Dich­tung und frei von aller Ambi­tion nach Anerken­nung, Lob oder Kri­tik.

3 ) Ein poet­is­ch­er Act wird vielle­icht nur durch Zufall der Öffentlichkeit über­liefert wer­den. Das jedoch ist in hun­dert Fällen ein einziges Mal. Er darf aus Rück­sicht auf seine Schön­heit und Lauterkeit erst gar nicht in der Absicht geschehen, pub­lik zu wer­den, denn er ist ein Act des Herzens und der hei­d­nis­chen Beschei­den­heit.

4 ) Der poet­is­che Act wird stark­be­wußt extem­po­ri­ert und ist alles andere als eine bloße poet­is­che Sit­u­a­tion, die keineswegs des Dichters bedürfte. In eine solche kön­nte jed­er Trot­tel ger­at­en, ohne es jemals gewahr zu wer­den.

5 ) Der poet­is­che Act ist die Pose in ihrer edel­sten Form, frei von jed­er Eit­elkeit und voll heit­er­er Demut.

6 ) Zu den verehrenswürdig­sten Meis­tern des poet­is­chen Actes zählen wir in erster Lin­ie den satanis­tisch-elegis­chen C. D. Nero und vor allem unseren Her­rn, den philosophisch-men­schlichen Don Qui­jote.

7 ) Der poet­is­che Act ist materiell vol­lkom­men wert­los und birgt deshalb von vorn­here­in nie den Bazil­lus der Pros­ti­tu­tion. Seine lautere Voll­bringung ist schlechthin edel.

8 ) Der vol­l­zo­gene poet­is­che Act, in unser­er Erin­nerung aufgeze­ich­net, ist ein­er der weni­gen Reichtümer, die wir tat­säch­lich unen­treißbar mit uns tra­gen kön­nen.

hc art­man  :::  die wiener gruppe

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