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prekär

heute vor vier jahren

Die radikalste cäsur in meinen vier jahrzehn­ten leben, 13.3.2008. Vor drei und vor zwei jahren, habe ich dieses datum noch als meinen zweit­en geburt­stag emp­fun­den. Das tue ich nicht mehr. Zwei wochen vor dem datum war hirschwang. Zwei tage sem­i­nar­i­eren, mit lukas gemein­sam, vor 25 leuten. Sepp und Anna woll­ten kom­men und für ihre sendung prekär.tv auf okto mit­fil­men. Am abend zwis­chen erstem und zweit­en tag dann inter­view mit lukas und mir, in einem schumm­rig dun­klen club-raum zwis­chen sem­i­nar­raum und speis­esaal. Ich erin­nere mich daran, dort am boden gesessen zu sein, mit dem rück­en an das sofa, schwitzend. Ich weiß nicht warum ich mich an diese per­spek­tive mit so viel innerem nach­hall erin­nere. Der rück­en war ein grund, erk­lärt meine bis heute über­dauernde ver­störung aber in kein­er weise. Ich hat­te damals aufgegeben, der abschluss, das anste­hende es abschließen ist wie eine lange san­ft drück­ende und endlich nicht mehr kraftvoll und bes­timmt zurück­gewiesene gewis­sheit in mich ein­gesick­ert. Vor dem sem­i­nar lagen gut zwei monate absoluten rück­zugs. Die begeg­nung mit mit­men­schen, das inter­agieren mit anderen kör­pern bringt die unmit­tel­bare wahrnehmung der eige­nen sit­u­a­tion und posi­tion mit sich. Das inter­view hat auf dem sofa sitzend stattge­fun­den. Die ausstrahlung kann ich kaum vor dem 13.3. gese­hen haben, den richti­gen zeit­punkt im okto.tv web­stream habe ich zudem mehrmals ver­passt. Irgend­wann dann zum richti­gen zeit­punkt, schaffe ich nur wenige sekun­den. Augen­blick­lich trä­nen. Irgen­dein unge­heur­er schmerz. Ich sehe nur krankheit, tod, die kör­per­lichen qualen, von ihnen zer­stört und geze­ich­net gar nichts so die kör­per­lich qualle, son­dern die verzweifel­ten augen und die jahre in zaum gehal­tener auf­sum­miert­er pein. Am 13.3. beginne ich kurz zu erzählen, warum ich gekom­men bin, soll mich dann aber gle­ich auf den tisch leg­en. Die sit­u­a­tion davor, während­dessen, danach ist mir wohlbekan­nt. Unsicher­heit gepaart mit schlechtem gewis­sen, was ich sagen soll, das ich habe, ob meine prob­leme das kom­men über­haupt recht­fer­ti­gen, aller­welt­sprob­leme sind, ich etwas wehlei­dig. Nein nein, ich kämpfe seit jahren, jahrzehn­ten, bilde mir das nicht ein, habe genü­gend ärztliche atteste, die zusam­men betra­chtet auf eine gemein­same nich­tat­testierte ursache hin­weisen. Kaum fünf minuten, mein­er erin­nerung nach, liege ich in ein­er posi­tion. Ander­er ansatz. Ich ver­liere nicht das bewusst­sein, bekomme jedoch kaum etwas bewusst mit. Dass sie auf mich einre­det, etwas mit mir auszu­machen und mir klarzu­machen ver­sucht, dass sie mich gratis behan­deln wird und dass es jet­zt heftig wird, das alles ist eine stunde und die näch­sten zwei wochen vor dem näch­sten ter­min unwirk­lich schemen­haft da, gle­ichzeit­ig die unsicher­heit, das nicht glauben kön­nen, nicht sich­er fühlen, nicht ver­ste­hen, nicht einord­nen kön­nen. Es gibt etwas zum anhal­ten. Eine sicher­heit ist da, so sehr ich sie teste und prüfe. Alles ist anders. Es ist ein erstes mal in einem leben einiger ver­suche und ther­a­piev­er­suche und unzäh­liger vor­sichtiger, gutwilliger, zuver­sichtlich­er hoff­nun­gen. Sprach­lich ist dem wis­sen, dass alles anders ist nicht beizukom­men. Kog­ni­tiv erscheint es unl­o­gisch. Aber die gewis­sheit bleibt, wird in den fol­gen­den wochen, monat­en, jahren oft bis an ungeah­nt und man­no­mann, unlustige gren­zen geprüft. Aber sie ist bis heute fest geblieben. Vielle­icht sog­ar das einzig feste in meinem leben, denke ich ger­ade. Vier jahre per­ma­nen­ter ther­a­piear­beit. Noch kein einziger zweifel­los schmerzfreier tag. Schon lange wieder funk­tion­ierende fein­mo­torik. Das kam zuerst. Vieles fol­gte. Das lymph­sys­tem. Das immun­sys­tem. Den kopf nach rechts drehen kön­nen. Fünf schnelle schritte machen kön­nen, wenn eine ampel zu blinken begin­nt. Unzäh­liges mehr. Einiges fehlt immer noch. Und sie behan­delt mich immer noch gratis. Der gemein­same weg bleibt bess­er undoku­men­tiert. Ver­gan­gen­heit muss vergessen wer­den kön­nen. Auch das eine lern­er­fahrung der ther­a­pie. Seit zwei jahren machen ergänzende ther­a­pi­en sinn, anläufe davor waren zum scheit­ern verurteilt gewe­sen. Fast einein­halb jahre haben wir die ther­a­pie im schon­gang, mit hand­bremse, meinen arbeit­en unter­ge­ord­net betrieben. Davon sog­ar knappe vier monate ohne einen ter­min, let­zten som­mer, in der end­phase der arbeit am buch. Dass das möglich war, war ein für mich fast unfass­bar grandios­er erfolg. Es hat­te gedauert, bis es möglich war. Seit novem­ber endlich endlich endlich wieder zuerst und vor allem und nichts mehr unter­ge­ord­net, wieder voll und ganz ther­a­pie. Am lim­it was geht. Es ging mehr als erhofft. Es ging in dieser inten­sität für drei monate länger als erhofft. Die let­zten wochen bin ich am luft holen. Vier wochen nach dem let­zten ter­min, bes­tim­men immer noch nach­wirkun­gen der let­zten ein­heit meine tagesabläufe, meine möglichkeit­en, mein ausse­hen. Etwas reflex­ion, nicht zu viel. In zwei wochen der näch­ste anlauf zu ein­er inten­sivphase ther­a­pie was geht. Immer die hoff­nung, es kön­nte, möge, sollte die let­zte sein. Oder wenig­stens eine der let­zten. Sie behan­delt mich nach vier jahren immer noch. Dieses gefühl zu wis­sen, dass ich ihr, ihr und ein paar zufällen, das leben ver­danken werde, auch schon vier jahre, ein­mal volkss­chule, eine nation­al­ratspe­ri­ode (alt), die näch­sten olymp­is­chen spiele, … Vier jahre sind freilich nichts für die beant­wor­tung eines asy­lantrags in öster­re­ich, keine sel­tenheit in flüchtlingsla­gen, kann men­sch auch schon mal unangeklagt und ter­ror­is­musverdächtigt in kerk­ern gefan­gen gehal­ten wer­den, täglich zwölf stun­den sklave­nar­beit ver­richt­en, nicht aus ein­er beschisse­nen beziehung aus­brechen, mit geifer­n­den post­ings im immer gle­ichen online-forum zubrin­gen, net­to vierzig­tausen euro ver­di­enen oder das vierzig­tausend­fache ein­nehmen. Kismet.