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Bildungspolitische Notiz: Umfrage zur Neuen Mittelschule und ständige Unkenrufe

[Gastkom­men­tar von Fre­und
— und Kol­le­gen -
Thomas Kreiml
((Sekretär in der GPA-djp Grund­la­gen­abteilung. Hat sich wie gesagt geärg­ert und seinen Ärg­er durch eine Notiz auf Face­book aus­ge­drückt hat. Da Face­book eine geschlossene Plat­tform ist, haben wir seinen Kom­men­tar hier auch im Keller­a­bteil archiviert.)),
der sich grad ziem­lich geärg­ert hat.]

Kurz vor Ferien­be­ginn hat Bil­dungsmin­is­terin Clau­dia Schmied am 1. Juni 2010 eine vom BMUKK beauf­tragte und vom Insti­tut für empirische Sozial­forschung (IFES) durchge­führte «Eltern­be­fra­gung zur Zufrieden­heit mit der Neuen Mit­telschule» präsen­tiert. Das Ergeb­nis kurz zusam­menge­fasst:
Die Mehrheit ist mit dem Schul­ver­such ins­ge­samt zufrieden. 80% der Eltern von Kindern an ein­er Neuen Mit­telschule (NMS) geben dem Schul­ver­such die “Schul­noten” Eins oder Zwei. Gle­ichzeit­ig sehen 46% dieser Eltern noch Verbesserungs­be­darf und plädieren damit für eine Weit­er­en­twick­lung dieses Schulmod­ells. Dazu gehören bil­dungspoli­tisch genau­so sin­nvolle wie auch notwendi­ge Forderun­gen der­art: noch mehr indi­vidu­elle Förderung der Schü­lerIn­nen, noch mehr Kom­mu­nika­tion zwis­chen LehrerIn­nen und Eltern, mehr Nach­mit­tag­sun­ter­richt (Ganz­tagss­chule) und noch bessere Aus­bil­dung der LehrerIn­nen.

Angesichts dieser Bilanz ließ die zu erwartende, typ­isch anachro­nis­tis­che Reak­tion der FCG-dominierten AHS-LehrerIn­nengew­erkschaft nicht lange auf sich warten. Die Vor­sitzende, Eva Scho­lik, schmäht die Präsen­ta­tion des ein­deutig pos­i­tiv­en Abschnei­dens der NMS als “Jubel­pro­pa­gan­da für die Gesamtschule” [sic]. Angesichts der Tat­sache, dass es sich hier um eine Stel­lung­nahme ein­er Geg­ner­in von Schul­re­for­men han­delt, die der All­ge­mein­heit der Bevölkerung zugute kom­men sollen, ist dies wed­er über­raschend noch weit­er auf­se­hen­erre­gend.

Frap­pierend ist allerd­ings die oppor­tunis­tis­che Tak­tik, gegen die Neue Mit­telschule als gemein­samer Schule der 10- bis 14-Jähri­gen mit dem Hin­weis auf “wis­senschaftliche Fak­ten” zu argu­men­tieren. Dies erstens deshalb, weil diese wis­senschaftlichen Fak­ten seit vie­len Jahren vor­liegen, näm­lich spätestens seit den OECD-Stu­di­en zur Bil­dung (PISA-Tests), und weil sie ger­ade für die Gesamtschule bzw. gemein­same Schule sprechen. Auf diese Stu­di­energeb­nisse wollte sich die LehrerIn­nengew­erkschaft aber noch nie mit beson­derem Eifer beziehen.

Zweit­ens zeich­net sich der Hin­weis auf wis­senschaftliche Fak­ten zur Begrün­dung der Vorteile eines dif­feren­zierten Schul­sys­tems durch willkür­lich­es Her­aus­greifen von Detai­l­ergeb­nis­sen der deutschen Studie “Sprach­liche Kom­pe­ten­zen im Län­derver­gle­ich” aus. In der Studie wird eine Nord-Süd-Gefälle der Leis­tun­gen von Schü­lerIn­nen in Deutsch­land fest­gestellt, wonach in südlichen Bun­deslän­dern, ins­beson­dere in Bay­ern, ten­den­ziell bessere Schulleis­tun­gen erzielt wer­den als in nördlichen.
Der Kurz­schluss der AHS-Gew­erkschaf­terin lautet daher: Die “her­aus­ra­gende Posi­tion Bay­erns bei den Ergeb­nis­sen” ist auf das dor­tige dif­feren­zierte Schul­sys­tem zurück­zuführen.

Das Ergeb­nis eines der­ar­ti­gen kausalen Zusam­men­hangs zwis­chen besseren Schulleis­tun­gen und der Struk­tur des Schul­we­sens gibt die Studie freilich nicht her. Vielmehr führen die Stu­di­en­au­toren das Leis­tungs­ge­fälle unter anderem auf län­der­spez­i­fis­che Unter­schiede in der all­ge­meinen Leis­tung­sori­en­tierung sowie auf die Zusam­menset­zung der Schü­lerIn­nen, das heißt, den sozialen Hin­ter­grund der Schü­lerIn­nen zurück, der vor allem in den nördlichen Großstädten häu­figer von prob­lema­tis­chen Zustän­den gekennze­ich­net ist.

Auf­schlussre­ich dazu ist auch fol­gen­der Kurzbericht, 3sat — nano, 23. Juni 2010: Der Süden bleibt vorn.

Die Ker­naus­sage, die sich Frau Scho­lik auf der Zunge zerge­hen lassen sollte, bevor sie wie wild mit ver­meintlich wis­senschaftlich beleg­baren Kausal­itäten in ein­er mit­tler­weile für das Ver­ständ­nis einiger AHS-LeherIn­nen­vertreteIn­nen und ÖVP-Bil­dungspoli­tik­erIn­nen viel zu kom­plex gewor­de­nen Welt herum­schlägt, die Ker­naus­sage bet­rifft ger­ade die bayrischen Zustände, die sie anscheinend gerne verk­lären möchte:

Beson­ders in Bay­ern haben Kinder aus Fachar­beit­er­fam­i­lien bei gle­ichem IQ und Lern­ver­mö­gen eine wesentlich gerin­gere Chance auf das Gym­na­si­um zu wech­seln. Wenn dann noch ein Migra­tionsh­in­ter­grund dazu kommt, sieht es ganz düster aus.

Hier liegen die Gründe und Notwendigkeit­en für ein Ende der Dif­feren­zierung bzw. unnöti­gen Tren­nung und das Auss­chöpfen von Poten­zialen aller Schü­lerIn­nen durch möglichst indi­vidu­elle Förderung in ein­er gemein­samen Schule. Das kann nur verken­nen, wer Lust am Aus­se­lek­tieren und am Bewahren von Stand und Elite hat, den vorherrschen­den Mod­ellen des Mit­te­lal­ters und der frühen Neuzeit — und region­al vere­inzelt auch in der heuti­gen Mod­erne noch.

Es ist höch­ste Zeit für die Abschaf­fung der AHS-Unter­stufe und die flächen­deck­ende Ein­führung der gemein­samen Schule der 6 bis 15-Jähri­gen in Öster­re­ich, am besten in Ganz­tages­form — wir kön­nen auch gerne wieder Gesamtschule dazu sagen.

Eine Antwort auf „Bildungspolitische Notiz: Umfrage zur Neuen Mittelschule und ständige Unkenrufe“

es mag nicht ganz von vorteil sein, dass bei dem the­ma auch mein “wut­pegel” steigt, ander­er­seits set­zt das aber auch energien frei — dur­chaus zu las­ten einiger etwas ver­wor­ren­er for­mulierun­gen wie v.a. gegen ende des textes zu merken ist 😉
aktuell erin­nert habe ich mich an diese notiz anhand fol­gen­der “lek­türe”, die zum teil ähn­liche zustände her­vor­ruft: http://www.schuelerbegehren.at/index.php/component/content/article/52-gesamtschule
aber die antworten passen grund­sät­zlich noch immer!

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