Denke mir schon länger, ich könnte und ja, ich will eine geschätzte praxis aus dem Odradek kopieren. ((Eklektiker der ich bin.)) Und zwar handelt es sich um des Lars Alberth praxis, angewohnheit, reihe und blogkategorie: ‘Das Sonntagszitat’.
Welches hierorts im kellerabteil2.0 nunmal zur uneleganten kurzform ‘SoZi’ verkommt. ‘Das Sonntagszitat’ ist mir zu Nahe an ‘Das Zitat zum Sonntag’ und ‘Sonntagspredigt’. Therefore …
Start der SoZis mit Otto Neuraths (1882–1945) spitzer Feder:
Diese Auffassung von der Multiplizität des wissenschaftlichen Theoretisierens und Prognostizierens, aufgebaut auf der Multiplizität möglicher Protokollsätze, muss besonders gegen die Anschauungsweise vertreten werden, die ich als “Pseudorationalismus” kennzeichnen möchte. Der Pseudorationalist diskreditiert den logischen Empirismus, wenn er die Eindeutigkeit der Tat in Verbindung bringen will mit der Eindeutigkeit der Ableitung aus Erfahrungsdaten, wobei er auf “die” wirkliche Welt verweist, auf dies eindeutige Etwas, das viele wenigstens als Grenzvorstellung zu verwenden vorschlagen. Der Pseudorationalist ist es, der gern von der “Einfachheit” irgendwelcher Ausgangselemente – seien es Sätze oder Begriffe – spricht, von der “Genauigkeit”, von der “Gewissheit”, die irgendwelchen Sätzen zukomme. Und wenn auch wir “Scientisten” bemüht sind, möglichst systemisch darnach zu streben, dass wir möglichst genaue, möglichst dauernd verwendbare, möglichst einfache Sätze erringen, so wissen wir doch, dass grundsätzlich “alles fließt” und dass die Multiplizität und die Unbestimmtheit in aller Wissenschaft lebt, dass es keine tabula rasa für uns gibt, von der ausgehend wir auf sicherem Boden Schichte für Schichte häufen können. Immer steht die Wissenschaft ganz grundsätzlich zur Debatte.
Otto Neurath im Zuge seines Vortrags bei der Vorkonferenz des
Ersten Internationalen Kongresses für Einheit der Wissenschaft,
Prag 31.8.1934
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2 Antworten auf „SoZi 12|09: Der Pseudorationalismus“
Merci, hätte auch ein Samstagszitat werden können, heute war’s de facto ja ein Montagszitat.
danke für den hinweis, kellerabteil.
zuerst: mein “woran ich glaube” in http://magazin.rebell.tv #3 ist in einem anderen kontext entstanden. (vergl. quellenangabe.) mir scheint aber, dass es dennoch auch so funktioniert. dann, wenn zb an die unterscheidung von grossväterchen heinz von förster erinnert würde, dass es zwei arten von fragen geben würde:
- entscheidbare fragen
— unentscheidbare fragen
will sagen: wissenschaft macht aus unentscheidbaren fragen entscheidbare fragen. oder um http://epfischer.com zu zitieren: “wissenschaft beantwortet insbesondere jene fragen, welche sie sich selbst gestellt hat.” wobei jede dieser “kompilierungsvorgänge” von unbeantwortbar (scheinenden) fragen in beantwortbar (scheinende) frage freilich — logisch! — nächste unentscheidbare fragen entstehen lässt!
es bleibt zwingend: dass “glaubenssätze” formuliert werden müssen. es sind sozial vereinbarte übereinkommen, an welche sich eine gemeinschaft zu halten hat. wer sie nicht einhält wird gemieden. ausgeschlossen. ausgespuckt. abgeschoben. (“midig”, die alten amish praktizieren das genauso intensiv wie die gemeinschaft der mathematiker:) zb: wir sind mathematiker, wenn wir akzeptieren, dass die zeichen 0,1,2,3,4,…+,-,%,asf die soundso definierten funktionen übernehmen…
was mir gut gefällt an deinem zitat ist, dass die prozessualität von wissenschaftlichem arbeiten betont wird. das ist vermutlich auch der einzige clou! (vergl. dazu: http://blog.rebell.tv/diskursion/wissenschaft-neugieronautik.html 😉
noch einmal anders zu deinem sonntäglichen zitat:
… und wenn dieser gedanke in den fluchtpunkt getrieben wird, was unterscheidet dann eigentlich den “pseudorationalisten” vom “scientisten”?!? vielleicht, dass der wissenschafter dem pseudorealisten nicht zutraut, dass sie (oder ist es ein problem unter männern?) nicht über ihre bedingtheit des denkens zu reflektieren vermöchte?!?